Tarifliche Veränderungen zur Arbeitszeit:
39,5 Stunden ab 2022 und 39 Stunden ab 2023
Zum Ende des Jahres 2021 und im Vorfeld der ab 2022 geltenden tariflichen Absenkung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit gemäß Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes erfolgten verschiedene fachliche Diskurse in den Gremien nach § 78 SGB VIII zum Umgang damit und zur Positionierung der Verwaltung des Jugendamtes.
Dabei wurden zum einen Verständnisfragen geklärt sowie Unsicherheiten aufgelöst, zum anderen, wie erwünscht, aber auch die Position der Verwaltung des Jugendamtes angesprochen und mit den jeweiligen Beteiligten diskutiert. Um die Transparenz dieser Gespräche für die Fachöffentlichkeit zu sichern und ein gemeinsames Verständnis für den Prozess herstellen zu können, sind die folgenden FAQ (häufig gestellte Fragen der Fachlandschaft) ausgearbeitet worden.
1. Ist die Absenkung der Wochenarbeitszeit eine Idee der Verwaltung des Jugendamtes der Landeshauptstadt Dresden?
Es handelt sich um eine Veränderung des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes, der durch die Tarifparteien (u. a. Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände – VKA, Bundesministerium des Innern, Gewerkschaft ver.di, Deutscher Beamtenbund – dbb) verhandelt wurde. Bei der vorliegenden Absenkung der Wochenarbeitszeit geht es um die Angleichung der Ost-West-Bezahlung. Die Landeshauptstadt Dresden ist verpflichtet, den Tarifvertrag entsprechend anzuwenden.
2. Die Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit ist nur vorübergehend und wird 2024 wieder angehoben?
Dies ist aktuell unbekannt. Der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes wird in der Regel alle zwei Jahre durch die Tarifparteien neu verhandelt. Der aktuelle Tarifvertrag hat eine Laufzeit bis 31. Dezember 2022. Inwieweit sich dabei die Arbeitszeit weiter verändert, kann nicht prognostiziert werden. Eine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche erscheint jedoch höchstwahrscheinlich ausgeschlossen.
3. Die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit ist eine Kürzung der Angebote, um Geld zu sparen?
Nein, es wird ausschließlich die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit angepasst. Die finanzielle Förderung der Angebote bleibt nach wie vor gleich.
Bei einem Träger, der in Anlehnung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes vergütet, wird die wöchentliche Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich gesenkt.
Beispielrechnung:
Eine Fachkraft erhielt im Jahr 2021 beispielsweise 3.000 Euro brutto für 40 h/Woche. In 2022 erhält die Fachkraft für 39,5 h/Woche 3.000 Euro brutto und ab 2023 für 39 h/Woche ebenso 3.000 Euro brutto.
Bei einem Träger, der nicht in Anlehnung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes zahlt, erhielt eine Fachkraft im Jahr 2021 3.000 Euro brutto für 40 h/Woche. In 2022 und 2023 erhält die Fachkraft weiterhin für 40 h/Woche 3.000 Euro brutto.
4. Die Reduzierung muss durch alle Träger gleichermaßen angewandt werden?
Nein, der Träger der freien Jugendhilfe ist im Rahmen seiner Tarifvertragsautonomie frei, die arbeitsvertraglichen Aspekte mit seinen Mitarbeitenden im Rahmen eines eigenen Tarifvertrages zu gestalten (Haustarifvertrag).
In diesem kann weiterhin eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche vereinbart sein. Ausschließlich Träger, welche den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes mittelbar oder unmittelbar anwenden, sind zur Reduzierung verpflichtet.
5. Träger, welche nach wie vor 40 Stunden wöchentliche Arbeitszeit anwenden, werden schlechter gestellt oder bezahlen Dumping-Löhne?
Träger, welche laut Haustarifvertrag 40 Stunden pro Woche Arbeitszeit vereinbart haben, zahlen den Mitarbeitenden nun 1,25 Prozent weniger Stundenlohn, stellen diese somit "schlechter". Die "Schlechterstellung" ist förderrechtlich legitim, da es ausschließlich ein Besserstellungsverbot gegenüber dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes gibt, kein Schlechterstellungsverbot.
6. Welche Auswirkungen hat die Teilzeitbeschäftigung von Mitarbeitenden auf die Förderung?
Für den Fördermittelgeber ist hier tatsächlich ausschließlich relevant, dass der TVöD im Zusammenwirken zwischen Arbeitszeit und Vergütung für die Bemessung der Personalkostenförderung gesehen wird. Insofern spielt das angewendete Tarifwerk (oder Individual-Arbeitsvertrag) eher eine untergeordnete Rolle. Somit sind auch die darin befindlichen arbeitsrechtlichen Wochenarbeitsstunden der Beschäftigten für die öffentliche Hand sekundär (wenn der gegenständliche Zweck der Zuwendung erbracht wird und nicht sittenwidrig verfahren wird).
7. Werden durch die Verwaltung des Jugendamtes die fehlenden 0,5/1 Stunden pro Woche oder 1,25/2,5 Prozent zusätzlich finanziert, so dass die Angebote wie im bisherigen Rahmen weiterarbeiten können?
Nein, bei Trägern, welche den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes mittelbar oder unmittelbar anwenden, würde dies eine Lohnerhöhung um 1,25/2,5 Prozent gegenüber dem öffentlichen Träger bedeuten und somit gegen das Besserstellungsverbot verstoßen, wenn die konkrete Personalstelle betrachtet wird. Auch durch den Jugendhilfeausschuss gibt es zur Förderung 2022 keinen entsprechenden Kompensationsbeschluss.
8. Wird es seitens der Verwaltung des Jugendamtes Vorgaben geben, wie mit der Verringerung der Arbeitszeit in der praktischen Arbeit umgegangen werden soll?
Nein, inwieweit die Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit um 0,5 Stunden in 2022 durch die Träger/Angebote umgesetzt wird, obliegt der Trägerhoheit. Dabei ist eine Schwerpunktsetzung zur Ausgestaltung der pädagogischen Arbeit in Trägerhoheit vorzunehmen. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe fördert eine mittels Konzept beschriebene Leistung. Eine detaillierte personelle Untersetzung ist den Konzepten nicht zu entnehmen. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist im Rahmen der Fachberatung in eine Schwerpunktsetzung einzubeziehen. Diese ist neben den trägerinternen Gegebenheiten auch vom weiteren Leistungsportfolio in der Leistungsart und/oder im entsprechenden Sozialraum abhängig.
9. Der Bedarf der Zielgruppe sinkt nicht, nur weil sich ein Tarifvertrag ändert. Wie wird auf diese Unterversorgung reagiert?
Diese Erkenntnis ist richtig. Die Bedürfnisäußerung der Zielgruppe erfolgt nicht über Arbeitszeiten von Fachkräften. Der Bedarfsfeststellung wurde sich mittels des Fachkräftebedarfs im Rahmen des theoretischen Konstruktes der Fachkräftebemessung genähert, welche im Jahr 2016 beschlossen wurde (V1245/16). Bedarfe der Kinder- und Jugendhilfe sind grundsätzlich politisch zu beschließen. Angebotsbezogene Anpassungen sind im förderfinanzierten Bereich vom Jugendhilfeausschuss zu beschließen.
10. Wird der Planungsrahmen der Jugendhilfe (Nettoarbeitszeit) entsprechend angepasst?
11. Wird die Fachkräftebemessung, welche auf Basis von 40 Stunden erstellt wurde, auf 39,5/39 Stunden angepasst?
Nein, da im Förderbereich keine flächendeckende Anwendung des Tarifvertrages erfolgt. Die durch die Tarifänderung entstandene Differenz der VzÄ wird im Rahmen der anstehenden Beratungen zum Doppelhaushalt 2023/2024 zu betrachten sein.
12. Warum wurden frei gewordene Mittel nicht zur Deckung der erhöhten Personalkosten eingesetzt?
Nicht verwendete Mittel sind für erhöhte Sachausgaben, beispielsweise für Corona Hygieneartikel oder unabweisbare Kosten aufgewendet worden. Eine Umwidmung in Personalkosten für eine in dem Falle indirekte Gehaltserhöhung oder übervertragliches Arbeitsvolumen von 1,25/2,5 Prozent steht dem Besserstellungsverbot entgegen und ist daher unzulässig, da sie nicht den gegenständlichen Zweck der Zuwendung betreffen.
13. Die Verwaltung des Jugendamtes ist von der Absenkung der Arbeitszeit nicht betroffen und die freiwerdenden Stunden werden durch neue Mitarbeitende ausgefüllt?
Nein, auch in der Verwaltung des Jugendamtes wird die wöchentliche Arbeitszeit auf 39,5/39 Stunden pro Woche unter Beibehaltung des bisherigen Aufgabenumfanges abgesenkt.